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Habitat / München (pandemic version)

Eine Performance von Doris Uhlich mit Münchner*innen

„Habitat / München” sprengt gängige Vorstellungen von Körper, Tanz und Nacktheit! Die Choreografin Doris Uhlich entwickelt ihre Grundidee eines gemeinsam bewohnten, gemeinsam betanzten Raumes weiter und wird mit einer Gruppe Münchner*innen ein Experiment der Distanzierung durchführen. Der utopische Ort, an dem sich Körper furchtlos begegnen, Haut auf Haut schwitzend berühren, gemeinsam atmen, scheint angesicht der aktuell kursierenden Pandemie Lichtjahre entfernt zu sein. Sie untersucht die Sehnsucht nach unmöglichen Kontakten und entfaltet allen Widerständen zum Trotz ein utopisches „Habitat“, einen geteilten Raum der Vielfalt, in dem unsere nackten Körper zu Techno Beats schwingen.

Doris Uhlich stellt mit ihren Arbeiten gängige Formate und Körperbilder in Frage: Sie zeigt die Potenziale von Nacktheit jenseits von Ideologie und Provokation, untersucht die Beziehung zwischen Mensch und Maschine oder setzt sich mit der Zukunft des Körpers im Zeitalter chirurgischer und genetischer Perfektionierung auseinander. Mit ihrem Stück Every Body Electric tourt sie weltweit (u. a. Tanz Biennale Venedig, Bienal Sesc de Dança São Paulo).

Habitat / München: Eine Produktion der Münchner Kammerspiele in Kooperation mit insert Tanz und Performance GmbH. Gefördert durch die Kulturabteilung der Stadt Wien.

Projektpartner der Habitat-Serie sind donaufestival / Krems, ImPulsTanz / Wien in Kooperation mit Wiener Secession, Tanzquartier Wien.

Mit— Erwin Aljukić, Toni Brucker, Ute Frederich, Daniela Georgieva, Judith Hummel, Christian Franz Klein, Kathrin Knöpfle, Luise Kostopoulos, Kamel Najma, Anna Siller, Pia Wiesner, Michael Würmer

Choreografie— Doris Uhlich
DJ— Boris Kopeinig
Lichtdesign— Sergio Pessanha
Dramaturgie— Rania Mleihi
Choreografische Mitarbeit— Hugo Le Brigand, Katharina Senk
Körpertanks Proper space— Zarah Brandl, Juliette Collas
Konfektionsfertigung, Maßschneiderei— Mick Hennig
Produktion— Nikoletta Fischer
Produktion Münchner Kammerspiele— Maja Polk
Administration— Margot Wehinger
Presse, Kommunikation— Jonathan Hörnig
International Distribution— Something Great
Text: übernommen von der Website der Kammerspiele
Pressefotos: Sigrid Reinichs

Kammerspiele, Inszenierung Habitat, 2020

„Die Pandemie verhüllt unsere Körper, unsere Gesichter. Das Abstandhalten ist eine körperliche, kollektive Einschreibung, die alle Menschen auf der Welt betrifft. Es ist eine Herausforderung, mich dem Verhältnis Kunst und Gesundheit immer wieder neu zu stellen – es gibt Pläne, die ich immer wieder adaptieren und neu denken muss, weil die Pandemie in Bewegung ist und mich zwingt, mich mit ihr zu bewegen. Ich habe mich entschlossen, in der Pandemie ein Ensembleprojekt zu entwickeln. Ich möchte ein Projekt in und mit der Pandemie entwickeln, nicht über die Pandemie. Welche künstlerischen Aspekte kann ich in der Distanz und im Abstand finden? Mich interessiert, ob und wie utopische Fasern in der Dystopie heranwachsen.“ – Doris Uhlich

Digitale Einführung von Dramturgin Rania Mleihi

In Habitat schnalzen, vibrieren und klatschen die nackten Körper vieler Menschen zu elektronischen Sounds und abstrakten Techno-Tracks aufeinander. Habitat/ München (pandemic Version) nimmt eine neue Wendung, ist eine körperliche Recherche mit und in der Pandemie. Das Ensemble recherchiert die Empathie und die Gemeinschaft der kollektiven Energie, die Energie der Distanz, und verarbeitet die unmögliche Nähe. Mit dem 1,5 Metern Abstand, auch wenn die Performer*innen keine Chance haben, sich gegenseitig zu berühren, schaffen sie es, uns auf die Reise von der individuellen Vereinzelung zu der kollektiven Togetherness des nackten Körpers mitzunehmen. Die Körper suchen nach realen gemeinsamen Erfahrungen und erschaffen Möglichkeiten, sich zu vernetzen. Sie zelebrieren ihre Einheit in der Vielfalt, auch auf Distanz.

Habitat bleibt eine schamlose, aber auch schambefreite Hymne auf einen nackten Körper jenseits von kulturellen Einschreibungen und gängigen Schönheitsidealen. Der Körper wird nicht zum Fetisch, zum Objekt degradiert und Fleischlichkeit nicht metaphorisch oder poetisch ideologisiert, sondern materiell aufgefasst und dabei mit seiner ganzen Masse und Wucht, aber auch in seiner Fragilität gezeigt.

Doris Uhlich stellt sich der Herausforderung, wie und wohin sich diese Utopie in Zeiten von Covid-19 transformiert. Was bedeutet die Verunmöglichung körperlicher Nähe? Welche Energie, Melancholie, Sehnsucht, vielleicht auch Genuss und Erleichterung löst das Abstandhalten aus? Welche Emotionen kommen nackt auf der Haut heraus?

Die Auflagen der Covid-19 Verordnungen werden in der Choreografie berücksichtigt und auch als Impulse aufgegriffen. – Text: aus Programmheft zum Stück