Dialog miteinander. Dialog mit Papier. Dialog mit Räumen. Immer wieder neu verhandeln. Think.

PAPIERDIALOGE // NKP100/125/150

Live-Installation mit Bewegung und Klang

Im Rahmen des Festivals INFEKTION! FESTIVAL FÜR NEUES MUSIKTHEATER, das dieses Jahr den Untertitel >>Fluxus Reloaded<< trägt, zeigen die drei Münchner KünstlerInnen eine installative Live-Performance. Die PerformerInnen begeben sich in Dialog mit dem Material Papier – unabhängig, eigenständig und doch im Bewußtsein eines Miteinander. Über zwei Stunden wird kontinuierlich Material angeordnet und verortet. Zuhören, Beobachten und Entscheiden sind die wesentlichen Merkmale des Prozesses, der die Wahrnehmung auf die Entstehung skulpturaler Bilder und Klangzustände und das Verstreichen der Zeit lenkt. Die Anordnung kommt zu keinem Ende, sie existiert innerhalb eines geschlossenen Aktionsspielraums. Das Publikum kann sich frei im Raum bewegen und auch zu jeder Zeit den Raum verlassen und betreten.

„Welche Kraft das Alltagsmaterial Papier als skulpturales und auditives Gestaltungsmedium entfalten kann, beweisen Heidi Schnirch und Lorenz Schuster in der Live-Performance PAPIERDIALOGE unter der künstlerischen Leitung von Judith Hummel. Die Abkopplung von hörbaren und sichtbaren Prozessen im Raum, welche ihr Verhältnis nicht zuletzt über den Körper der Performerin Heidi Schnirch, die zugleich als „machendes“ dh. gestaltendes Subjekt präsent bleibt, stetig redefinieren, entfaltet eine beeindruckende Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.“ – Roman Reeger, Dramaturg Staatsoper im Schillertheater.

Uraufführung im Juni 2015: INFEKTION! Staatsoper im Schiller Theater Werkstatt, Berlin
Wiederaufnahme und Neuberarbeitung im Februar 2016: schwere reiter Theater, München

Mit: Judith Hummel (Künstlerische Leitung), Heidi Schnirch (Performance, Tanz), Lorenz Schuster (Perfomance, Live-Elektronik), Roberto Duarte (Live-Video, Fotografie), Charlotte Marr (Licht), Ingeborg Landsmann und Stephanie Roderer (Zeitungsgestaltung), Rat&Tat Kulturbüro (PR). Dank an: Ratioform Verpackungen GmbH für das Papier-Sponsoring sowie Katrin Schmid (Industriedesign) für die Beratung beim Raumkonzept.

Credits 2016: Gefördert durch das Kulturreferat der LH München und die Richard Stury Stiftung. Judith Hummel ist Mitglied des Tanztendenz München e.V.

Tanznetz Kritik

platzieren, (an-) ordnen, (ver-) orten | keine fertigen Formen, undefiniert | schieben | Spielraum | Blick | Rückraum, zurückdenken | Spannung, Entspannung | Abdruck hinterlassen | Nest bauen | gruppieren | knistern | knicken | knüllen | reißen | ziehen | rollen | (raus-) räumen | stapeln | zerdrücken | ausstreichen

Knistern, fast wie Regen

drei Stelen und ein Körper.
betrachtend, gehend.
seitwärts, rückwärts. mitten rein.
zwischen zwei.
Hand. Hocke. betrachtend.
Sound. Pause. Schnitt.

hören.
schieben.
schnell schieben.
liegen.
aufstehen.
Hände Rückraum.

Entstehungsprozess

GEDANKEN von Judith Hummel im Juni 2015

Die Auseinandersetzung mit dem Material Papier geht auf einen Austausch mit der Komponistin Stephanie Haensler von 2013 zurück. Als Komponistin und Choreografin suchten wir nach einer gemeinsamen kompositorischen Schnittstelle und fanden diese in der Nutzung von Papier, auf dem wir sowohl Klang als auch Bewegung erzeugten. Mit der Einladung zum Festival INFEKTION! konnte ich gemeinsam mit der Tänzerin Heidi Schnirch und dem Musiker und Komponisten Lorenz Schuster die Arbeit weiterentwickeln. Die Arbeitsweise, sich über ein reines Tun („DOING“) stetig dem Material, dem Prozess und so dem Resultat anzunähern hatte ich 2014 in einer Zusammenarbeit mit der britischen Choreografin Rosemary Butcher intensiv erlebt. Durch jenes „DOING“ sind für PAPIERDIALOGE Kategorien und Begrifflichkeiten entstanden. Wir filterten ein Vokabular heraus, das für die Performer abrufbar ist und nach außen eine differenzierte Sprache hervorbringt. Eine inspirative Liste an Begriffen fand ich bei der Recherche von dem Künstler Richard Serra, die „Verb List Compilation: Actions to Relate to Oneself“ (1967-1968). Unsere Essenz des Prozesses formulierten wir als Dialog der drei Partner (Körper, Klang, Papier) miteinander und zueinander, eine ständige (Neu-) Verhandlung durch Zuhören, Beobachten und Machen. Bilder und Klänge im Raum erkennen, zulassen und einer eigenen Zeitlichkeit darin folgen und so zwischen reiner Funktionalität und auftauchender Poesie wechseln. In den Proben sprachen wir von Think – Re-think – Re-do, angelehnt an den Titel der Arbeiten „I Do – I Undo – I Redo“ der Künstlerin Louise Bourgeois. Es artikuliert für mich das gehaltene Agieren innerhalb der Arbeit, das ständige neu Entscheiden für oder gegen eine Aktion. Denn mit dem Material an Möglichkeiten komponieren die zwei Performer eigenständig über zwei Stunden. Wir begeben uns in Zustände von Ruhe, Zeitdauer und Zeitlosigkeit, erfahren das Aushalten von Leere und Stille, den Konflikt, Erwartungen (nicht) zu erfüllen, stellen uns die Frage: wie lange gebe ich etwas Zeit, lassen uns ein, geben uns etwas hin oder auch nicht. Irgendwo darin treffen wir auf uns selbst.

Is there one task to fulfill over the two hours?
Or is there several tasks to do and re-do over time?

Alles ist bereits besetzt

Bewegung wünschen, aber widerstehen.
Bewegung vorstellen, aber nicht tun.
Zwischenraum erspüren, hören.
Bewegung nicht zu Ende bringen.
Auflösung der Nähe.

Dem Papier die Möglichkeit geben,
sich im Raum zu entfalten,
mit dem Körper als Extension.

Subjekt, Objekt, Material.
Hilft der Objektgedanke?

Im Gemälde das Gemälde verstehen.

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