Weite Flächen Feld vor mir. Ein langes, großes Fabrikgebäude in diesem Nirgendwo. Irgendwo. Aufatmen und Ausatmen.
Live Installation „Wo komme ich her? Gehen – von Rumänien nach Deutschland. Etappe 1 Săcălaz – Szeged“
Entfällt wegen Coronavirus. Informationen zum Nachholtermin folgen.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Die Installation muss aus den bekannten Gründen im Zuge des Coronavirus abgesagt werden. Keine leichten Zeiten für uns alle. Sobald ein Nachholtermin feststeht, geben wir das bekannt. Bleibt gesund und guter Dinge. Bis bald! Das wünschen: Judith Hummel & Team.
Im Gehen, im Zurückgehen, forscht Judith Hummel nach ihrer eigenen Herkunft und legt eine Spur um die Felder Erinnerung und Körper. Auf mehreren Etappen verfolgt sie, begleitet von ihrer Mutter Margret und der Kamerafrau Laura Kansy, die Route ihrer Großmutter, die 1944 von Rumänien nach Deutschland flüchtete. Im Juni 2019 gehen sie die erste Teilstrecke von Săcălaz, dem Heimatdorf der Großeltern, bis nach Szeged in Ungarn. Aus Material, das unterwegs aufgenommen wird, entsteht eine Installation mit Video, Klang, Erinnerungsstücken und Live-Momenten.
Mit: Judith Hummel (Künstlerische Leitung, Akteurin), Margret Hummel (Akteurin), Laura Kansy (Video, Fotografie), Tim Neuhaus (Klang), Stephanie Roderer (Künstlerische Mitarbeit, Grafik), Ulrike Wörner von Faßmann (Dramaturgie), Heidi Schnirch (Choreografische Mitarbeit), Charlotte Marr (Licht), Katrin Schmid (Raum), Ruth Geiersberger (Künstlerische Beratung), Juliane Huth (Route), Jens Baßfeld (Videotechnik), Rat & Tat Kulturbüro (Künstlerische Produktionsleitung), Beate Zeller (PR).
Credits: Das Projekt wird gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München, sowie der Kulturstiftung der Stadtsparkasse München. Judith Hummel ist Mitglied des Tanztendenz München e.V. Wir danken der Firma JOSTRA für ihre Unterstützung!
Ich erinnere Erzählungen am Esszimmertisch von „zu Hause“, die mir vertraut und fremd zugleich blieben. Es haftete ihnen immer etwas Verworrenes an.
„Weite Flächen Feld vor mir. Ein langes, großes Fabrikgebäude in diesem Nirgendwo. Irgendwo. Aufatmen und Ausatmen. Hände und Arme und Beine zappeln – hier liegen die Erinnerungen. Irgendwas in mir sucht, navigiert, findet eine Zufriedenheit in dieser Absurdität von Weg.“ Auszug Reisetagebuch, J. Hummel, Juni 2019
Ich erinnere meinen Besuch in Wannweil im Frühjahr 2019 und unseren gemeinsamen Versuch, Săcălaz zu erinnern, mit Hilfe von Knöpfen aus deinem Nähzimmer. Wo war was? Der Kindergarten, die Kirche, die Freundinnen, die Apotheke, wo seid ihr zur Kerweih gegangen, wo waren die Brunnen? Heute euer Dorf, euren Geburtsort nachempfinden, nachlegen. Heute, wo die Erinnerung verblasst ist. Jetzt. Die Anstrengung des Gehens, der Dialog mit Laura und Mutter, die Begegnungen vor Ort. Es ist nicht mehr eure Zeit, nicht mehr euer Land und ihr seid dabei, euch von dieser Welt zu verabschieden. Vielleicht darum ist es jetzt meine Aufgabe, diesen Weg zu gehen – mit euch bei mir, aber anders und eigen, getragen von meinen Erinnerungen an euch, die mich fest in meinem Leben begleiten. Gehen. Das ist wichtig. Immer weiter gehen.“ Brief an die Großeltern, J. Hummel, auf der Reise, Juni 2019
„Hitze, Hitze, Hitze! Immer geradeaus, vorbei an den üblichen Mais- und Getreidefeldern. Dazwischen viel Grasland und Sumpfpflanzen. Ausgetrocknete rissige Erde, die sich in Staub verwandelt hat. Meine Schuhe wirbeln Staubfontänen auf. Ich selber bin ganz auf mich und mein Gehen konzentriert. Ich brauche alle Kraft dafür. Manchmal gehe ich voraus. Das geht eigentlich ganz gut. Dann gehe ich lange, ohne anzuhalten.“ Auszug Reisetagebuch, M. Hummel, Juni 2019
Erinnerung. Ich feiere Geburtstag bei euch in Wannweil. Mein Lieblingskuchen,
die Schwarzwälderkirschtorte, die du Oma mir zum sechsten Geburtstag backst: Sie hat drei Schokoböden, viel Sahne und Sahnehäubchen, gespritzt mit der Hand und Kerzen, die ich auspuste. Ich erinnere die Zwetschgenknödel, die Dinger mit dem Bollen drin, die ich bestreut mit Zimt und Zucker so gern als Kind gegessen habe. Mehlspeisen. Ich erinnere einen Ausflug in die Stadt, ins Kaufhaus Zinser, wo wir für mich den Schnitt einer Oilily Hose abgeschaut haben, damit du mir die teure Hose nachnähen kannst. Ich erinnere Abendessen am Küchentisch, auf der Plastikblumentischdecke, darauf Butter, Speck, Paprikawurst und süßes eingelegtes Obst. Ich erinnere lustvolles gemeinsames Essen. Essen. Immer wieder Essen. Ich erinnere Tränen beim Sprechen über Gott und deinen festen Glauben. Ich erinnere die Kirchgänge, das Eingliedern in eine Gemeinschaft, die vielen vielen Torten und Dienste zu Gunsten von …. „dazugehören“?